Pressemitteilung zum Auftritt der Bundeswehr auf der Orientierungsmesse „Kompass“

Pressemitteilung zum Auftritt der Bundeswehr auf der Orientierungsmesse „Kompass“

Am vergangenen Samstag, den 23. Januar 2016, fand in der Großsporthalle Georg-Gassmann-Stadion eine Orientierungsmesse bzw. Berufsbörse für junge Menschen statt, die sich ihrer beruflichen Perspektive noch nicht klar sind und nach Anreizen für ihre Zeit unmittelbar nach dem Schulabschluss suchen. Veranstaltet wurde dies von dem Potenzialentwicklungsraum e.V., die Stadt Marburg war Schirmherr. Gerade für SchülerInnen war dies eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich über verschiedene Angebote zu informieren, was man nach dem Schulabschluss machen könnte – das ging von work&travel, welche Auslandsjahre ermöglichen wollen bis hin zu Arbeiterkind.de, welches Menschen aus nicht-akademischen Haushalten den Eintritt in das Studium erleichtern wollen. Von diesen vielen den SchülerInnen eine zivile, friedliche Zukunft ermöglichenden Beispielen abgesehen war leider auch die Bundeswehr mit einem Stand und vielen Werbematerialien präsent. Für ein solches Auftreten hat die Bundeswehr viel Geld und geschultes Personal zur Verfügung, durch dessen es den BesucherInnen der Messe nicht möglich ist sich neutral über deren Tätigkeiten zu informieren. Problematisch ist es zudem, dass durch die räumliche Nähe des Bundeswehr-Werbestands zu den zivilen Angeboten ein Bild erzeugt wird, dass zwischen der Tätigkeit im Dienst einer Armee und bspw. einem Freiwilligen Sozialen Jahr kein grundsätzlicher Unterschied bestehe.

Gegen den Auftritt der Bundeswehr auf dieser Messe, aber keinesfalls gegen die Messe an sich, richtete sich der Protest einer Gruppe junger friedenspolitisch engagierter Menschen aus unterschiedlichen politischen Zusammenhängen. Sie verteilten Flyer an die Anwesenden, in denen erklärt wurde, inwiefern die Bundeswehr als Arbeitgeberin kritisch zu betrachten ist und was die Nachteile einer militärischen Ausbildung sind. Anschließend entrollten sie vor dem Bundeswehrstand ein größeres Transparent mit der Aufschrift „Geld für Bildung statt für Militär Rüstung – Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze“ und trugen mit lauter Stimme ihre Kritik vor. Diese Aktion erregte sowohl die Aufmerksamkeit der MessebesucherInnen als auch des Veranstalters, welcher uns aufsuchte und bat, diese Aktion abzubrechen. Zu der Überraschung der friedenspolitischen AktivistInnen bot er als Gegenleistung an, ihnen spontan einen Platz in der Messehalle zuzusichern, an dem sie ihr Transparent aufrollen und die BesucherInnen über ihre Kritik informieren können. Ein kurzer Blickwechsel der AktivistInnen reichte aus, um auf dieses Angebot einzugehen. Sie nutzten die folgende Zeit, jungen BesucherInnen wie VertreterInnen anderer Stände zu erklären, dass u.a.

  • Die Bundeswehr keine normale Arbeitgeberin ist, sondern dass die Verpflichtung zur militärischen Ausbildung in lebensgefährlichen Kriegseinsätzen enden kann
  • Das deutsche Militär an sich eine Institution ist, die anderen Menschen und Völkern mit physischer Gewalt die Interessen Deutschlands aufzwingen möchte
  • Die Bundeswehr lange keine reine Verteidigungsarmee mehr ist, sondern die politisch höchst umstrittene Rolle einer Interventionsarmee spielt, welche keine Scheu hat sich in die innere Angelegenheit fremder Staaten einzumischen
  • Die Bundeswehr nicht umsonst Probleme hat, genügend Rekruten zu finden und ihre Werbung die militärische Ausbildung stark beschönigt und positiv stilisiert, die Gefahren und Nachteile aber bewusst unter den Teppich kehrt
  • Innerhalb der Armee starke Hierarchien herrschen, die der Bildung von demokratischen Bewusstsein keineswegs förderlich ist

Iris Dick, Veranstalterin der Messe und von Potenzialentwicklungsraum e.V., erkannte an, dass die AktivistInnen der Friedensbewegung für ihre Überzeugungen einständen und dass es wichtig wäre, keine falschen Informationen über Tatsachen zu verbreiten bzw. schwierige Tatsachen zu verschleiern. Anschließend bedankte sie sich bei den AktivistInnen, dass sie für unsere Welt und unsere Gesellschaft einständen. Deshalb haben sie gerne den Beiträgen und Inhalten der Bundeswehr-GegnerInnen einen Raum gegeben. Die Anregung, für künftige Berufsmessen auch eine Organisation aus der Friedensbewegung einzuladen, wurde positiv aufgenommen, sofern sie einen Kontext zu dem Oberthema der Messe (in diesem Fall ist es eine Auslandsmesse) herstellen können und bspw. ein Auslands-FSJ anbieten.

Die Entwicklung auf der Orientierungsmesse widerspricht den früheren Erfahrungen der AktivistInnen, die sonst üblicherweise aus der jeweiligen Halle entfernt werden. Dass sie stattdessen sogar gleichberechtigten Raum für ihre Kritik zugesichert bekamen, zeugt vom hohen demokratischen Bewusstseinsstand der VeranstalterInnen und ist ein Schlag ins Gesicht für die Bundeswehr, die sonst ungestört ihre schöngefärbte Sicht zu Ausbildungsangeboten beim Militär Jugendlichen kundtun können. Die friedenspolitischen AktivistInnen, die sich zu dieser Aktion teilweise zum ersten Mal zusammengetan haben, verließen die Messe mit einem positiven Fazit und dankten dem Veranstalter für die deeskalierenden und kooperativen Verhaltensweisen. Dennoch wünschen sie sich, dass die Bundeswehr bei den nächsten Berufsmessen in Marburg nicht mehr eingeladen wird oder zumindest ein friedenspolitischer Gegenakteur eingeladen wird.

Gemeinsame Presseerklärung von:

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