Zur desaströsen Lage der Marburger Student*innenschaft (in der Legislatur 2019/20)

Mit Bedauern mussten wir auf der Januar-Sitzung des Student*innenparlamentes feststellen, dass wiederholt keine Mehrheiten für den Vorstand des Allgemeinen Student*innenausschuss (AStA) zustande gekommen sind. Auf den Sitzungen im Oktober, November und Dezember hatte sich bereits abgezeichnet, dass nicht genügend Kandidaturen für den zu wählenden AStA-Vorstand vorliegen, woraufhin die Wahlen immer wieder verschoben wurden.

Vor der Januar-Sitzung am 29.01.2020 hatte die Gerüchteküche bereits einige Tage lang gebrodelt. Eine mehrheitsfähige Koalition von CampusGrün (CG), Juso-Hochschulgruppe und Fachschaftspower (FSP) stand im Raum. Doch nur eine unabhängige Kandidatin, Laura Elmer, konnte auf der Sitzung die satzungsgemäße Mehrheit hinter sich vereinen. Wir begrüßen die Wahl von Laura, da sie aus unserer Sicht eine riesige Bereicherung für den AStA-Vorstand darstellt. Der Kandidat der FSP scheiterte.

Dies lag möglicherweise an der abstrusen Vorstellung von CampusGrün, hier hochschulpolitischer Arbeit mit geringstem Aufwand gerecht werden zu können. Als Hochschulgruppe mit den meisten Sitzen weigert sich CampusGrün (CG) seit Monaten, ihren Auftrag der Regierungsbildung ernst zu nehmen und der ihr übertragenen Verantwortung gerecht zu werden. Stattdessen strebte CG lange Zeit ein Modell der wechselnden Mehrheiten an und stand somit einer Öffnung nach Rechts nicht im Wege. Erst als Bedenken von autonomen Referaten laut wurden, die ihre Arbeit in Zukunft gefährdet sahen, verwarf CG offenbar den Plan einer Zusammenarbeit mit der Liberalen Hochschulgruppe (LHG).

Eine Fortführung der gemeinsamen Zusammenarbeit mit uns von SDS.dielinke wurde bereits wenige Tage nach Legislaturbeginn durch CampusGrün ohne eine nennenswerte Erklärung verworfen. Wer sich das einzige öffentliche Kommunikationsmittel der Marburger CG anschaut, wird sehen, dass die letzten Beiträge aus dem Spätsommer 2019 stammen. In einem Facebookbeitrag von CG vom 28. Juni 2019 heißt es: »Mit 17 von 41 Sitzen im Student*innenparlament sind wir mit Abstand die stärkste Kraft. [...] Wir nehmen das Wahlergebnis als Auftrag wahr, im kommenden Jahr deutliche Veränderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Strukturen zu erzielen. In diesem Sinne: DANKE für Eure Stimme!«[1]. De facto hat CampusGrün seit Beginn der neuen Legislatur nicht einen einzigen Antrag im Parlament gestellt. Des Weiteren beteiligte sich CG Marburg nicht an dem hiesigen hochschulpolitischen Klimastreik im November 2019 und widerspricht damit dem eigenen Selbstverständnis. Auch die Hochschulgruppen Jusos, FSP und RCDS scheuen davor zurück, ihrer Funktion als gewählte Parlamentarier*innen gerecht zu werden.

Durch den erneuten Aufschub der Wahlen des AStA-Vorstands samt AStA-Referent*innen ist unklar, wann die Marburger Universität aus diesem ›grünen Albtraum‹ erwacht. Die Notwendigkeit eines funktionierenden AStA liegt auf der Hand. Denn über den AStA werden beispielsweise die Projekte der Fachschaften, studentischen Initiativen oder Autonomen Referate finanziert. Die zur Wiederwahl aufgestellten Finanzvorstände von CG und FSP haben bis heute keinen Haushalt eingereicht, womit eine weitere Hängepartie wie in der vorangegangenen Legislatur im Grunde vorprogrammiert ist. Auch die Ausschüsse und Beratungsstellen des AStA brauchen eine verlässliche Struktur, in der sie agieren können. Abgesehen davon nehmen die gesellschaftlichen Herausforderungen nicht ab! Deshalb standen wir für einen arbeitsfähigen, progressiven, emanzipatorischen, antifaschistischen, antirassistischen und feministischen AStA auch stets zur Verfügung.

Bis auf Weiteres sehen wir uns in der Verantwortung, als oppositionelle Kraft unserer Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle gerecht zu werden. Denn für uns alle, Studierende Marburgs, kommt die Tatsache, dass CG die studentische Selbstverwaltung mit Inhaltsleere lahm legt, einem Schlag ins Gesicht gleich. Nachdem in der Zwischenzeit bereits mehrere Vorstände zurückgetreten sind, lastet die gesamte Arbeit und Verantwortung auf den Schultern weniger. Der prekäre Zustand, in dem sich der Marburger AStA befindet, ist nicht hinnehmbar.

Da es unklar ist, ob sich in naher Zukunft eine notwendige Mehrheit findet, werden wir von SDS.dielinke Marburg dennoch weiterhin einen inhaltlichen Fokus setzen. Unser Antrag ›Maßnahmenpaket Mensa‹[2], der sich für eine ökologische und soziale Mensa einsetzt, wartet auf eine Behandlung im Student*innenparlament. Erfolgreich haben wir bisher u.a. einen Antrag zur Solidarisierung mit dem Aktionsbündnis Afföllergelände und einen Antrag gegen ›Militärforschung‹ und ›für eine humane Ausrichtung von Forschung‹ im Parlament durchbringen können. Eine Chronologie unserer eingebrachten und umgesetzten Forderungen sind auf unserer Webseite abrufbar.[3]

Wir vermuten, dass sich im Ergebnis auch so manch grün-wählende*r Student*in sehr über die Gruppe ärgert, die von sich behauptet, sie stehe für und nicht gegen eine progressiv-links-grün-feministische Politik. Denn diese scheint derzeit nicht im Geringsten in der Lage zu sein, ein politisches Projekt zu formulieren, geschweige denn parlamentarische Mehrheiten zu organisieren oder bei den drängendsten Themen unserer Zeit mit uns gemeinsam zu kämpfen.

Das derzeitige Verhalten der Marburger CG schadet – zuwider aller potentiellen Schnittmengen – langfristig dem Ansehen der studentischen Selbstverwaltung und damit auch der politischen Landschaft der gesamten Stadt.

gez. SDS.dielinke Marburg

[1] https://www.facebook.com/CampusGruenMarburg/photos/a.1511536639094386/2361869824061059. (Zuletzt aufgerufen: 02.02.2020).

[2] https://cloud.sds-marburg.de/s/BNZQ7BQH7K5iiLz. (Zuletzt aufgerufen: 06.02.2020).

[3] https://sds-marburg.de/hopo/stupa.html. (Zuletzt aufgerufen: 02.02.2020).